Die hell erleuchtete Klarheit der Dinge/In der Weite gut sichtbar
Heiko Blankensteins Installation „Who needs gravity anyway?“
Es sind astronomische und kosmologische Phänomene der Wirklichkeit, die Heiko Blankenstein interessieren. Seine künstlerische Arbeit ist Ausdruck eines Verstehensprozesses, der die Natur aus multiplen Perspektiven reflektiert und diese auf künstlerische Art und Weise übersetzt. Der Künstler versteht sich als Beobachter, Übersetzer. Sein Blick: sezierend, beleuchtend, aufdeckend. Mittels Zeichnung, Skulptur und Installation begibt er sich auf die Spur der Dinge, um ihre Beschaffenheit, ihr Wesen nachzuspüren, um diese dann in die eigene künstlerische Sprache zu übersetzen und individuelle (emotionale) Verstehensmöglichkeiten anstelle generalisierender Antworten zu geben.
In seinen grossformatigen und raumfüllenden Werken vereint er die handwerkliche Bearbeitung von artifiziellem Material mit feingliedrigen Zeichnungen und deren digitaler Aufarbeitung. So auch Blume/ Stern im Kunstraum Kreuzlingen: Aus Holzplatten gebaut, erhebt sich im Raum ein Podest. Aus dessen Boden und Seitenwänden strahlt das helle, durchdringende Weiss von Leuchtstoffröhren, die in gleichmässigen Abständen daran befestigt sind. Ein definierter Umriss entsteht, ein klarer Rahmen zur Betrachtung. Und inmitten dieser Konstruktion: eine splitterartige Skulptur in Form eines Sterns/ einer Blume. Aus der Ferne betrachtet wirkt diese filigran und vereinzelt, aus der Nähe jedoch massiv und scharfkantig. Denn die Zartheit der Dinge schliesst deren Schlagkraft nicht aus. Die Gesamtinstallation erinnert an eine Bühne von/ für Welt, nicht betretbar, stattdessen: erfühlbar mit den Augen, aus der Ferne.
An der Seiten- und Rückwand der Holzkonstruktion erwachsen zwei angebaute hölzerne Erweiterungen. Sie wirken wie massive Arme, die begehrlich in den Raum greifen. Auch sie sind mit Leuchtröhren versehen. Die rechteckigen Enden der Anbauten erinnern an Schaukästen, in deren Innerem sich grossformatige Zeichnungen zeigen, akribisch und feingliedrig gezeichnet. Wie durch einen Bildschirm (oder aber: ein Fenster zum Weltraum) hindurch erblickt man darauf galaktische Bewegungen, in klaren Strichen festgehaltene Momentaufnahmen eines so unbegreiflichen Kosmos; stets umgeben vom gleissenden Schein der künstlichen Lichts.
Helle und kontrastreiche Aufregung, die dem Betrachter durch Auge und Körper geht. Die verwendeten Materialen wie auch die Formen sind gegensätzlich und verbinden sich doch harmonisch in ihrem Zusammensein. Scharfe Kanten markieren die Grenze des Objektes und regen dazu an, sich selbst zu verorten, seinen eigenen Ausgangspunkt zu finden innerhalb der raumgreifenden Gesamtkomposition des Künstlers.
„Who needs gravity anyway?“ ist ein lebendiges Gegenüber. Wuchtig und doch fragil leuchtet es im Kunstraum Kreuzlingen, erhaben und verletzlich, nah und fern zugleich. Es entsteht ein Gefühl des Überbordens, es erscheint etwas Immenses, Lebendiges und sich selbst Erhaltendes. Die Begegnung mit Heiko Blankensteins Installation hinterlässt Spuren. Der Raum öffnet sich, schleust ein und lässt uns nicht gehen, ehe wir uns den Dingen gestellt haben. Die hell strahlenden Strukturen eines kosmischen Netzes werden sichtbar gemacht, spannungsvoll und energiegeladen. Und so wirken die Dimensionen des Kunstraums räumlich und poetisch gefüllt. Denn nichts mehr ist notwendig, um eine Weite zu füllen, als die Faszination für das Ungreifbare.
Barbara Marie Hofmann, 2018
Fotos: © Kunstraum Kreuzlingen