Zsuzsanna Gahses „Schriftbilder“ im Kunstraum Kreuzlingen
„Es ist schön, das Schreiben.“ Das ist der erste Satz in Zsuzsanna Gahses allererstem Buch. Schreiben bedeutet in diesem Falle dreierlei. Einmal ist es der geschriebene Text, der schön ist zu lesen, schön zu imaginieren. Dann ist es das Geschriebene an sich, das geschriebene Wort, das aus Buchstaben aneinandergereiht und Zeilen dazwischen besteht. Und dann, zuletzt, geht es um die Schreibende, um die Hand, die schreibt, was der Kopf ihr sagt. All dies ist das Schreiben für Zsuzsanna Gahse. Und all dies wird in ihren Schriftbildern deutlich.
Die Schriftstellerin Zsuzsanna Gahse schreibt Prosa und Lyrik, mehr als 30 Bücher hat sie publiziert, daneben Theaterstücke, szenische Texte, ein Opernlibretto und Texte zur Bildenden Kunst. Im Kunstraum Kreuzlingen werden Gahses Schriftbilder, die ganz eigene Art ihrer schriftstellerischen Arbeit, erstmals in einer grösseren Auswahl öffentlich gezeigt.
Die Schriftbilder sind materiell fragil, inhaltlich interessant. Auf kleinen oder grossen Blättern sind einzelne Wörter zu erkennen, die sich in Linien aneinanderreihen. Oft nähern sich diese Zeilen an, überlagern und formieren sich zu Mustern. Vertiefungen aus Wörtern entstehen, die sich vom hellen Papier kontrastreich absetzen und an strukturierte und komplexe Gebilde erinnern, in deren Inneren es rascheln und knistern muss ob der Geschäftigkeit, die sich dort drinnen, unter all den Zeilen verbirgt.
„Röntgenbilder” nennt Gahse solche Schreibunternehmungen. Nichts wird gestrichen, um den Verlauf der eigenen Gedanken kennenzulernen. Bevor sich eine Zeile mit einer anderen überlagert, überträgt die Autorin das Geschriebene, um es festzuhalten. Einmal beendet, bleiben die Schriftbilder unverändert. In einer Zeit, in der das Handschriftliche selten vorkommt, sind diese analogen Schriftbilder singulär. Mit der ihr eigenen Arbeitsmethode zeigt Gahse die Facetten des geschriebenen Wortes auf: Im Schriftbild als Unikat, und manchmal tauchen Bruchstücke aus den Schriftbild-Texten in ihren digital vervielfältigten Büchern auf, womit sie dann in unzähligen Ausgaben und Versionen verfügbar sind.
Die Schriftbilder beleuchten den optischen Auftritt der Texte. Sie sind selbstständige Gebilde. Ein Schritt weg von der Literatur und zugleich: hin zu ihr. Denn in ihnen ist bereits enthalten, was Gahses schriftstellerischer Arbeit ihren eigenen Ton gibt: Da gäbe es die grosse akustische oder fast musikalische Dimension: Sprachklang, Rhythmus und Tempo. All dies zeigt sich im bewegten Tanz auf dem Papier, festgehalten auf wenig Raum in visueller Form. Und dann natürlich das, wovon die Texte inhaltlich erzählen. Diese Verbindung von klar ausgestellter Sichtbarkeit und dem noch leise Ungesagten zeigt konzentriert, was Gahses Schreiben unverkennbar macht. Das Instabile und das verschlossen Offene, das eindeutig Uneindeutiges bewahrt.
Barbara Marie Hofmann 2019
Fotos: © Kunstraum Kreuzlingen